Hat der Erblasser zu Lebzeiten sein Vermögen oder Teile davon verschenkt, käme es ohne die gesetzlichen Vorschriften über die Hinzu- und Anrechnung von Schenkungen zu Lebzeiten auf den Pflichtteil zur Benachteiligung von Pflichtteilsberechtigten. Mit diesen Bestimmungen soll verhindert werden, dass Ansprüche von Pflichtteilsberechtigten durch Schenkungen zu Lebzeiten beschnitten werden.

Pflichtteil: Grenze der Verfügungsfreiheit

Grundsätzlich kann jede Person frei über ihr Vermögen verfügen. Das gilt auch für letztwillige Verfügungen. Jeder kann in einem Testament festlegen, wer seine Erben sein sollen und wie viel die jeweiligen Erben bekommen. Die Freiheit, über sein eigenes Vermögen von Todes wegen zu verfügen, ist durch das Pflichtteilsrecht beschränkt. Demnach haben Ehegatten, eingetragene Partner und Kinder des Erblassers einen gesetzlichen Pflichtteilsanspruch. Der Pflichtteilsanspruch ist immer die Hälfte der gesetzlichen Erbquote. Berechnungsgrundlage ist grundsätzlich das Verlassenschaftsvermögen, nach Abzug aller Schulden und Verfahrenskosten.

Hinzu- und Anrechnungspflichtige Schenkungen

Bei der Hinzu- und Anrechnung von Schenkungen des Erblassers zu Lebzeiten wird differenziert, ob die beschenkte Person pflichtteilsberechtigt ist oder nicht. Schenkungen an Pflichtteilsberechtigte sind bei der Berechnung der Pflichtteile immer zu berücksichtigen. Schenkungen an nicht Pflichtteilsberechtigte nur, wenn sie innerhalb von zwei Jahren vor dem Tod des Erblassers erfolgt sind. Als hinzu- und anrechnungspflichtige Schenkung gelten grundsätzlich alle unentgeltlichen Leistungen des Erblassers. Sie müssen nicht ausdrücklich als Schenkung bezeichnet sein. Unentgeltliche Leistungen sind beispielsweise übergebene Liegenschaften oder Schulden, die der Erblasser für eine andere Person übernommen haben.

Ausgenommen von der Hinzurechnung sind Schenkungen, die das Stammvermögen nicht geschmälert haben oder zu gemeinnützigen Zwecken oder aus sittlicher Pflicht geleistet wurden.

Hinzu- und Anrechnung von Schenkungen

Die Hinzu- und Anrechnung von Schenkungen erfolgt in zwei Etappen. Zuerst sind der Verlassenschaft alle anrechnungspflichtigen Schenkungen wie folgt hinzuzurechnen:

Verlassenschaftswert + Schenkung = Bemessungsgrundlage für den Pflichtteil

Ausgehend von der neuen Bemessungsgrundlage werden die Pflichtteile dann ziffernmäßig neu berechnet. Die Pflichtteilsquote bleibt dabei gleich. Auf den so ermittelten neuen Pflichtteil muss sich im zweiten Schritt jeder Pflichtteilsberechtigte seine eigenen Schenkungen anrechnen lassen.

Anrechnung auf den Pflichtteil

Nach der Berechnung des Pflichtteils muss ermittelt werden, ob die pflichtteilsberechtigte Person genug erhalten hat. Auf den Pflichtteil wird alles angerechnet, was ihr der Erblasser letztwillig hinterlassen hat. Zuwendungen aufgrund des Testaments oder eines Vermächtnisses sind genauso auf den Pflichtteil anzurechnen, wie Schenkungen von Todes wegen.

Durchsetzung der Hinzu- Anrechnung

Die Pflichtteile werden grundsätzlich durch die Erben aus der Verlassenschaft ausbezahlt. Ist zu wenig Vermögen in der Verlassenschaft vorhanden, haften aber die bisher Beschenkten. Es ist also möglich, dass eine zu Lebzeiten beschenkte Person bei der Begleichung der Pflichtteile mitzahlen muss. Zahlt der Beschenkte nicht, muss er das Geschenk unter Umständen herausgeben. Die Haftung von pflichtteilsberechtigten Beschenkten ist begrenzt mit der Höhe des eigenen Pflichtteils.

Verzicht auf den Pflichtteil

Pflichtteilsberechtigte Personen können zu Lebzeiten des Erblassers einen Pflichtteilsverzicht in Notariatsaktform oder als gerichtliches Protokoll abgeben. Sie haben dann keinen Anspruch mehr auf den – ansonsten – gesetzlich zustehenden Pflichtteil. Häufig bekommt der Verzichtende als Gegenleistung für den Pflichtteilsverzicht eine Abfindung, die grundsätzlich als Schenkung im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen zur Schenkungsanrechnung gilt. Abfindungen werden also auf den Pflichtteil angerechnet.

Vermeidung der Schenkungsanrechnung durch partiellen Pflichtteilsverzicht

In der Praxis soll oft eine bestimmte Person eine Liegenschaft oder einen anderen Vermögenswert bekommen. Wird dieser Vermögenswert bereits zu Lebzeiten unentgeltlich übertragen, kann es zur Schenkungsanrechnung auf den Pflichtteil kommen. Um die Schenkungsanrechnung zu vermeiden, können die übrigen Pflichtteilsberechtigten einen partiellen Pflichtteilsverzicht im Hinblick auf diesen Vermögenswert abgeben. Der Pflichtteilsanspruch erlischt dann nur für diesen Vermögenswert. Der Verzicht betrifft das restliche Vermögen nicht. Alle anderen Vermögenswerte sind deshalb nach den gesetzlichen Vorschriften im Verlassenschaftsverfahren aufzuteilen.

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